Fragerecht/Auskunftspflicht:

 

 

Fragerecht:

 

Im Rahmen eines Vorstellungsgespräches bzw. vor Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses darf der Arbeitgeber nur zulässige Fragen gegenüber dem Arbeitnehmer stellen, also Fragen, an deren Beantwortung der Arbeitgeber ein berechtigtes, schutzwürdiges Interesse hat, welches das Interesse des Arbeitnehmers an der Geheimhaltung überwiegt.

 

Nur auf solche zulässigen Fragen des Arbeitgebers besteht eine Pflicht des Arbeitnehmers zur wahrheitsgemäßen Antwort.

 

Zulässig sind danach insbesondere Fragen, wenn sie für die auszuübende Tätigkeit von Bedeutung sind.

 

Zulässig wären somit beispielsweise Fragen nach den Vermögensverhältnissen des Arbeitnehmers, sofern eine Vertrauensstellung des Arbeitnehmers gegeben ist.

 

Nach Vorstrafen oder Ermittlungsverfahren darf der Arbeitgeber nur fragen, wenn die Art des Arbeitsplatzes dies bei objektiver Betrachtung rechtfertigt und ein Straf- und/oder Ermittlungsverfahren ggfls. Zweifel an der persönlichen Eignung des Arbeitnehmers begründen könnte.

 

Fragen über Krankheiten sind nur insoweit zulässig, als die Eignung für den Arbeitsplatz davon abhängt. Dies gilt auch für Fragen nach einer Behinderung.

 

Demgegenüber ist die Frage nach einer Schwangerschaft stets unzulässig, auch wenn ein Beschäftigungsverbot der Arbeitnehmerin während der Schwangerschaft bestünde oder eine Schwangere für den Arbeitsplatz ungeeignet wäre. Dies soll sogar dann gelten, wenn nur ein befristetes Arbeitsverhältnis begründet werden soll und die Bewerberin während einer wesentlichen Zeit der Vertragszeit schwangerschaftsbedingt ausfallen würde.

 

Hat der Arbeitgeber eine UNZULÄSSIGE Frage gestellt, kann der Arbeitnehmer wahrheistwidrig antworten und der Arbeitgeber kann im Hinblick hierauf weder den Arbeitsvertrag anfechten, noch eine Kündigung des Vertrages aussprechen. In diesem Falle läge nämlich keine "arglistige" Täuschung vor.

 

 

Beispiel:

Arbeitgeber Müller fragt die weibliche Bewerberin Schmidt im Vorstellungsgespräch, inwiefern diese schwanger sei. Schmidt beantwortet dies wahrheitswidrig mit "Nein", obwohl sie bereits im 5. Monat schwanger ist. Müller stellt Schmidt daraufhin als Bauingenieurin ein. Nach Unterzeichnung des Arbeitsvertrages erfährt Müller, dass Schmidt schwanger ist. Müller kann in diesem Falle weder den Arbeitsvertrag anfechten, noch im Hinblick auf die falsche Aussage kündigen. Schmidt hat sogar als Schwangere einen "Sonderkündigungsschutz".

 

 

Im Falle einer ZULÄSSIGEN Frage und einer daraufhin erfolgten wahrheitswidrigen Antwort, könnte demgegenüber der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 119 II BGB, § 123 BGB).

 

 

Beispiel:

Arbeitgeber Müller fragt Bewerber Schmidt im Vorstellungsgespräch für eine Stelle als Maurer, ob dieser Vorerkrankungen oder Behinderungen habe, die ihn bei der Arbeit beeinträchtigen könnten. Schmidt beantwortet dies wahrheitswidrig mit "Nein", obwohl er einen Bandscheibenvorfall hatte, daher dauerhaft nur noch 5 Kilogramm heben darf und mit 50 % schwerbehindert ist. Nach Unterzeichnung des Arbeitsvertrages erfährt Müller, dass Schmidt schwerbehindert ist und dauerhaft nicht schwer heben darf und deshalb als Maurer gar nicht eingesetzt werden kann. Müller kann in diesem Falle den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten.

 

 

Beispiele für zulässige Fragen: 

 

  • Frage nach Ausbildung, Qualifikationen und beruflichem Werdegang einschließlich Ausbildungs- und Weiterbildungszeiten.
  • Frage nach Fremdsprachenkenntnissen, soweit sie für die Tätigkeit der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers von Belang sind; 
  • Frage nach dem Vorliegen einer Arbeitserlaubnis (trotz der Nähe zu den Merkmalen „ethnische Herkunft“ und „Rasse“ (siehe § 1 AGG) zulässig, da sie eine Voraussetzung für die legale Beschäftigung der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers ist (vgl. § 3 AGG) und damit von einem legitimen Interesse der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers getragen und gerechtfertigt wird; 
  • Frage nach Vorbeschäftigungszeiten bei derselben Arbeitgeberin/demselben Arbeitgeber, wenn der Abschluss eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses geplant ist

 

Beispiele für unzulässige Fragen: 

 

  • Frage nach einer bestehenden oder geplanten Schwangerschaft
  • Frage nach der Sicherstellung der Betreuung von Kindern, behinderten oder pflegebedürftigen Angehörigen neben der Berufstätigkeit
  • Frage nach der sexuellen Identität
  •  Frage nach dem Lebensalter
  • Frage nach Behinderung oder Schwerbehinderung. (Achtung: Sie ist grundsätzlich unzulässig, kann aber ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn die Behinderung der vertragsmäßigen Arbeitsleistung entgegensteht (Beispiel: schwere körperliche Arbeit, etc.) 
  • Frage nach dem Familienstand (Dies kann eine mittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Identität darstellen)
  • Frage nach der Staatsangehörigkeit. (Achtung: Da jedoch das Interesse an einer Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis berechtigt ist, ist die Frage, ob die Bewerberin/der Bewerber einem EU-Mitgliedstaat angehört, zulässig
  • Frage nach einer Gewerkschaftszugehörigkeit 
  • Frage nach der Zugehörigkeit zu einer politischen Partei
  • Frage nach der Religion (sofern nicht der Arbeitgeber eine Glaubensgemeinschaft ist)

 

 

Beispiele für begrenzt zulässige Fragen: 

 

  • Frage nach Vorstrafen darf ausnahmsweise nur dann gestellt werden, wenn die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies erforderlich macht (Bsp.: Vermögensdelikte bei einem Buchhalter)
  • Frage nach Krankheit ist dann ausnahmsweise zulässig, wenn sie sich
    • lediglich auf die Geeignetheit des Bewerbers für die konkrete Stelle bezieht oder sie sich
    • auf eine schon zum Zeitpunkt des Gesprächs geplante Operation oder Kur bezieht und/oder
    • soweit sie sich auf ansteckende Krankheiten bezieht, die Kolleginnen oder Kollegen konkret gefährden könnten.